Epilepsie-Lehrerpaket

5.5 Epilepsie im Unterricht

5.5.1 Gründe für Thematisierung

Stefan ist seit fünf Wochen stolzer Erstklässler. Er hat in der kurzen Zeit schon einige Freunde gefunden. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel trifft da ein Anfall Stefans Lehrerin und die neu gewonnenen Freunde. Ohnmächtig und vollkommen verunsichert erleben sie, wie Stefan plötzlich während des Sportunterrichts mit krampfartigen Zuckungen am Boden liegt. Nach einigen Minuten ist der Grand mal-Anfall vorüber.

In Stefans Klasse ist "Epilepsie" ab sofort Unterrichtsthema - gewollt oder nicht. Zwangsläufig drängen sich die Fragen der beteiligten Kinder und der Lehrerin auf. Damit angemessen umzugehen, erfordert die Empathie und Sensibilität der Lehrerin ebenso wie die Unterstützung durch das soziale Umfeld: Schulleitung, Kolleginnen und Kollegen und nicht zuletzt Stefans Eltern als "Eingeweihte" sind in ihrer Verantwortung für ihn und seine Mitschüler gefragt.

Besteht, wie bei Stefan, die Gefahr, dass ein Schüler im Rahmen der Schule einen deutlich sichtbaren Anfall erleidet, ist es sicherlich unverzichtbar, in Absprache mit den Eltern und dem Kind die Schüler - in welcher Form auch immer - über Epilepsien zu informieren. Mit den Eltern sollte abgesprochen werden, ob dabei bereits der Klasse mitgeteilt werden soll, dass einer ihrer Mitschüler davon betroffen ist. Dadurch ist gewährleistet, dass Mitschüler und Kollegen bei einem auftretenden Anfall weniger schockiert und hilflos reagieren. Wünschenswert ist sicherlich ein offener Umgang mit dem Thema im Rahmen des Unterrichts, wie dies unten ausführlich dargestellt wird.

Aber auch ohne das meist schockierende Erlebnis eines Anfalls im Unterricht gibt es zahlreiche Anlässe und Gründe, Epilepsien zum Thema des Unterrichts zu machen.

Ein paar Beispiele:

Epilepsien können auch ohne äußeren Anstoß zum interessanten und vielschichtigen Gegenstand des Unterrichts in den verschiedensten Fächern werden. Die Thematik bietet eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten zu den Lehrplänen aller Schularten.

Ein Pädagoge, der seine Schülerinnen und Schüler verantwortungsvoll über die medizinischen und sozialen Aspekte der Epilepsien informiert, leistet einen wertvollen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration von Menschen mit Anfallskrankheit, indem er Vorurteile und Unsicherheiten abbaut und Akzeptanz und Handlungskompetenz fördert.

Das Zusammenleben der Kinder mit einem epilepsiekranken Mitschüler innerhalb der Klassengemeinschaft kann auf diese Weise zu einer wertvollen Erfahrung für alle werden, indem Verständnis, Toleranz und Rücksichtnahme erfahren und geübt werden. Soziales Lernen wird hier zur täglichen Aufgabe.